Beinahe jeder Aufnahmetag dauert von Morgen- bis Abenddämmerung - die Sonne hat eben ihren eigenen Rhythmus und läßt sich nicht beschleunigen. Manchmal aber ist das Zeitfenster zum Arbeiten so klein, dass noch viel vom Tag bleibt. Dieses Glück hatte ich in München, wo es an großartigen Bauwerken nicht mangelt und von denen ich eines schon lange sehen wollte.
Am Olympiastadion begeistert mich nicht nur das gebaute Ergebnis sondern der Mut der Planer, in einem Wettbewerb eine bis 1972 nicht dagewesene Konstruktion und Form vorzuschlagen und diese auch zu verwirklichen, das Versprechen eines leichten und transparenten Bauwerks tatsächlich einzulösen. Auch wenn die großen Brocken, die Widerlager der Zugseile und Fundamente der Druckstäbe, im Erdreich versteckt sind - für die Erfahrung, die man unter diesem luftigen Zeltdach machen darf, ist das gleichgültig. Dabei endete die Lust der Architekten und Tragwerkplaner am Gestalten nicht mit der großen Form, sondern setzt sich über die als Einzelstücke konstruierten und gegossenen Knotenpunkte fort und endet erst mit den Kassenhäuschen.